Der slowakische Kyffhäuser – der Sitno

Im zentralen Teil der Slowakei erstrecken sich mehrere Gebirgszüge vulkanischen Ursprungs. Das größte davon ist das Gebirge Štiavnické vrchy (auf Deutsch Schemnitzer Berge), ein Mittelgebirge um die berühmte alte Bergbaustadt Banská Štiavnica (auf Deutsch Schemnitz). Der höchste Berg des Gebirges ist der sagenumwobene Berg Sitno. Mit seinen 1009,2 M ü.M. ist er der am südlichsten gelegene slowakische Berg mit einer Höhe über 1000 m. Er ist nicht nur ein legendenbehafteter Berg, sondern für mich auch ein ganz besonderer. Ich kann diesen aus meinem Fenster täglich bewundern und wenn ich von einer Reise nach Hause komme und den Sitno sehe, weiß ich, dass ich zu Hause angekommen bin.

Sitno Wandermarkierung

In Deutschland wird eine Sage erzählt, nach der in einer Höhle des Kyffhäusers der Kaiser Friedrich I. Barbarossa, mitsamt seinen Rittern schläft, um eines Tages zu erwachen und Deutschland zu retten. Eine Legende mit schlafenden Rittern haben die Slowaken auch. Der Berg in dem eine große Slowakische Ritterarmee schläft, ist der Sitno. Sie sollen eines Tages, die Slowakei vor grosser Gefahr beschützen. Diese Legende haben vor Jahrhunderten wahrscheinlich die deutschen Bergleute aus ihrer alten Heimat mitgebracht und sie auf den Sitno übertragen.

Ausblick von der Tatra bis zu der Donau

Für eine Wanderung zum Sitno startet man am besten direkt im Zentrum von Banská Štiavnica. Diese Wanderung auf dem zu Beginn rotmarkierten und später blaumarkierten Wanderweg dauert etwas über 3 Stunden. Ungefähr 3 Stunden braucht man auch von der südlichen Seite, aus dem Dorf Prenčov. Ein anderer Ausgangspunkt ist das Dorf Ilija, wo ein grünmarkierter Wanderweg zum Gipfel führt. Der kürzeste Aufstieg beginnt aber am idyllischen Stausee Počúvadlo. Nach guten 45 Minuten und 330 Höhenmetern durch Mischwald, über blumenreichen Wiesen und über Holztreppen zwischen steilen Andesitfelsen, erreicht man das Gipfelplateau. Hier befindet sich eine Antenne, ein Aussichtsturm und eine Berghütte. Vom Gipfel des Sitno genießt man einen fantastischen Rundblick. In unmittelbarer Nähe erstreckt sich die hügelige grüne Landschaft des Millionen Jahre alten Stratovulkans mit verstreuter Besiedlung und den blauen Augen der zahlreichen alten Stauseen. Diese wurden einst für die Bedürfnisse des Bergbaus errichtet und sind in heutiger Zeit vor allem beliebte Badeseen. Am Horizont, in einer Entfernung von ca. 50 bis 80 km, sind die Berge der Kleinen und Großen Fatra, im Nordosten den Kamm der Niederen Tatra, weiter im Osten die höchsten Berge des Slowakischen Erzgebirges zu sehen. Vom Nordwesten bis Westen erkennt man die Berge der waldreichen Mittelgebirge Strážovské vrchy, Vtáčnik, Pohronský Inovec und Tríbeč. Bei guten Wetterbedingungen ist im Süden die Kathedrale in Esztergom und sogar Budapest zu sehen. Bei einem Besuch von der historischen Stadt Banská Štiavnica darf die Besteigung von Sitno nicht fehlen. Unser Wanderprogramm im UNESCO Welt Erbe Gebiet Banska Stiavnica krönen wir auch immer mit einer Wanderung zum Gipfel des Sitno.

Ausblick von dem Berg Sitno

Sitno-Burg

Der Sitno ist auch ein archäologisch sehr bedeutsamer Berg. Der Gipfel war schon in der Urzeit besiedelt. Und aus der Zeit von 1200 bis 800 vor Chr. haben Archäologen unter anderen viele bronzene Gegenstände, Keramik und Mühlsteine ausgegraben. Eine neue Epoche der Bergbesiedlung begann im 13. Jahrhundert, wenn hier eine Burg zum Schutz des reichen Bergbaugebietes gebaut wurde. Drei Jahrhunderte später in der Zeit der Türkenkriege spielte die Burg eine wichtige Rolle bei der Verteidigung der mittelslowakischen Bergbaustädte. Im Jahre 1703 wurde die Burg von ungarischen antihabsburgischen Aufständischen erobert, die die Burg nach 7 Jahren zerstörten und verliessen.

Sitno Burg

Aussichtsturm

Leider wurde die Burg nach ihrer Zerstörung nicht wiederaufgebaut. Die Steine aus der Ruine benutzte man beim Bau des Aussichtsturmes auf dem Gipfel und des Schlosses in Svätý Anton am Fuße des Berges. Im Jahre 1727 wurde der erste 7 Meter hohe Aussichtsturm gebaut, der im Jahre 1852 nach einem Blitzeinschlag niederbrannte. Diesen Turm hält man für den ältesten seiner Art in Mitteleuropa. Ein neuer, 11 Meter hoher, Aussichtsturm wurde im Jahre 1888 gebaut, und dieser steht hier noch heute. Der Aussichtsturm ist in Ferienmonaten Juli und August jeden Tag geöffnet, im Herbst und den Frühlingsmonaten nur am Wochenende. Im unteren Teil des Aussichtsturmes befindet sich ein kleines Informationsbüro des Landschaftsschutzgebietes Štiavnické vrchy mit einer kleinen naturwissenschaftlichen Ausstellung und einem Imbiss.

Aussichtsturm auf dem Berg Sitno

Sitno-Berghütte

In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts ließ die hiesige Sektion des Tschechoslowakischen Wandervereins eine alte Forsthütte zur Berghütte umbauen. Nach dem Krieg im Jahre 1946 wurde die Hütte elektrifiziert. Seit den achtziger Jahren steht auf dem Gipfel ein Radio- und Fernsehsender zu dem ein asphaltierter Weg führt. Damit wurde der Sitno auch für die Radfahrer erschlossen. Keine Angst, Autos begegnen Sie hier nicht, da die Strasse für den öffentlichen Verkehr gesperrt wurde. Vor 2 Jahren hat ein junger Mann die Hütte gepachtet und betreibt nun nach alter Tradition die Berghütte auf dem Sitno Plateau. Nach der Sitno-Besteigung können sich alle auf ein gutes Bier, erfrischende Kofola oder eine leckere deftige Suppe freuen. Von Juni bis September ist die Hütte jeden Tag von 10 bis 18 Uhr, in anderen Monaten am Wochenende von 10 bis 16 Uhr offen. Ein Matratzenlager zur Übernachtung soll im nächsten Jahr fertig sein. Im Moment können Besucher gegen eine freiwillige Spende auf eigener Isomatte und in eigenem Schlafsack im Speisesaal übernachten.

Berühmte Persönlichkeiten

Im Jahre 1860 hat der Bankbeamte Rudolf Tirts Senior in Banská Štiavnica den ersten Wanderverein in der damaligen Habsburger Monarchie gegründet. Der Wanderverein wurde nach dem Wächter der Stadt benannt – der Sitnowanderverein. Ein großer Unterstützer des Wandervereins war Graf Filip Coburg, dem das Schloss in Svätý Anton und ausgedehnte Ländereien mitsamt des Berges Sitno gehörten. Dank ihm wurde nach dem Brand der Aussichtsturm wiederaufgebaut und anschliessend schenkte er den Aussichtsturm dem hiesigen Wanderverein. Nicht nur Filip Coburg, sondern auch sein Hausarzt Edmund Téry, war ein engagierter Wanderer und Bergsteiger. Doktor Téry war bis Ende seines Lebens der stellvertretende Vorsitzender des Sitnowandervereins. Übrigens, Edmund Téry war auch der Initiator des Baus einer Berghütte in der Hohen Tatra, die bis heute als Téry Hütte bekannt ist. Ein weiterer berühmter Liebhaber des Sitno war der Gründer der slowakischen Museumsgesellschaft Andrej Kmeť, der sich viele Jahre mit der reichen Pflanzenwelt des Sitno beschäftigte.  Und mit den Worten dieses slowakischen Klassikers beende ich diesen Blogartikel: „Obwohl es in der Slowakei genug höhere Berge gibt, aber schöner als Sitno ist keiner.“

Knabenkraut in Schemnitzer Berge