Mein Mann und ich kannten die Slowakei schon aus unserer Jugendzeit. Damals waren die Tatras die einzigen Regionen, in denen sich für uns„normalsterbliche“ DDR-Bürger die Sehnsucht nach richtig hohen Bergeerfüllen ließ. Doch obwohl es auch uns nach der Wende erst einmal in die bis dahin unerreichbare westliche Welt hinauszog, hat die slowakische Bergweltfür uns nie ihre Faszination verloren. Irgendwann wollten wir auf jeden Fall wieder dahin, sehen, wie sich das Land entwickelt hat und wandern gehen.

Dass es dann eines Tages tatsächlichganz konkret mit der Reiseplanung in die Slowakei wurde, ist einem Zufall zu verdanken. Auf Radio Dresden läuft sonntagvormittags eine Quizsendung, bei der jeweils eine Reise zu gewinnen ist, und diese Reise wird vom sponsernden Reiseunternehmen ausführlich vorgestellt. Anfang des vorigen Jahres war auch das Dresdner unternehmen WM Reisen GbR mit einer Wanderwoche in der Niederen Tatra dabei. Die sehr lebendige Reisebeschreibung von Marko Weiß, einem der beiden Geschäftsführer der WM Reisen GbR, machte uns nun erst recht neugierig, und schon wenige Tage später traf mein Mann sich mit ihm das erste Mal in Dresden.

Leider klappte es dann im vorigen Jahr noch nicht mit einer Wanderreise, denn wir vergrößerten unsere bereits mit einem Hund gesegnete Familie kurz entschlossen um einen süßen Welpen, der natürlich noch nicht weit laufen konnte. Anfang 2015 nahmen wir einen neuen Anlauf bei WM Reisen, und Ende Juli war es nun endlich soweit: Wir fuhren in die Niedere Tatra. Marko hat uns dank seines fundierten und breitgefächerten Insider-Wissens hervorragend beraten (er lebt seit vielen Jahren in der Slowakei und ist ein erfahrener Bergwander- und Naturführer), war später auch am Urlaubsort mit Wanderkarten und vielen guten Tipps für uns da und hat uns auf diese Weise einen rundum gelungenen Urlaub organisiert.

Hotel „Polianka“

Die Anreise nach Krpačovo, wo unser Hotel lag, dauerte mit zwei Pausen etwa 8 Stunden. Seit dem EU-Beitritt der Slowakei wird das Autobahn- und Fernstraßennetz gut ausgebaut, und so kamen wir staufrei und bei 130 bzw. 90 km/h Höchstgeschwindigkeit auchvergleichsweise entspannt am Hotel„Polianka“ an, das für die folgenden zwei Wochen unser Zuhause sein sollte. Mitten in der waldreichen Natur gelegen, mit Blick auf einen reizvollen kleinen See, war es genau das, was wir uns vorgestellt hatten. Martin, der Hotelchef, empfing uns sehr herzlich. Unser Appartment war groß genug für uns drei Menschen und unsere zwei Hunde, es hatte einen sehr schönen Balkon, war zweckmäßig eingerichtet und absolut sauber – gerade Letzteres empfanden wir als ausgesprochen angenehm im Vergleich zu unseren Erfahrungen mit nicht nur südlichen Hotels, sogar 4-Sterne+ Kategorie.

Das „Polianka“ verfügte u.a. über eine sehr schöne Außenterrasse, auf der es sich wunderbar frühstücken ließ und es am Abend erst eines und dann meist noch ein zweites ausgezeichnetes slowakisches Bier (vel’ke čapovane pivo, prosím – damit liegt man bei der Bestellung immer goldrichtig) gab. Genauso gut und sehr preiswert war auch das Essen im Hotel wie auch in der Slowakei überhaupt.

Interessant ist, dass man üblicherweise alle Beilagen separat bestellen muss. Das ist durchaus positiv zu bewerten, wenn man es dann weiß. Ansonsten hat man wirklich nur Fleisch mit Soße und eventuell noch ein Salatblatt auf dem Teller. In puncto Sprache kann man in der Slowakei natürlich mit Deutsch überleben, mit etwas Englisch wird es leichter, aber wenn man sich die lohnenswerte Mühe macht und wenigstens ein kleines bisschen Slowakisch spricht, dann gewinnt man nach und nach das Vertrauen der gastfreundlichen Slowaken.

Nun waren wir aber nicht (nur) zum Biertrinken in die Slowakei gefahren, sondern wir wollten natürlich wandern gehen. Die erste Wanderung war zugleich die längste während unseres Urlaubs. Mit dem Viersitzer-Sessellift ging es hoch hinauf zum Chopok, den Rucksack neben uns und jeder von uns beiden Erwachsenen einen Hund auf dem Schoß.

Chopok-Liftstation

Eigentlich ist das Mitnehmen von Hunden auf Sesselliften nicht erlaubt, aber es hat keiner mit uns geschimpft. Das Gefühl „zu fliegen“ war für unsere Hunde völlig neu, anfangs waren sie spürbar überrascht und lagen ruhig und flach an uns geschmiegt da. Aber mit der Zeit versuchten sie auszusteigen, was natürlich keine gute Idee war. So hatten wir dann doch einige Mühe, vollzählig auf dem Chopok (2024 m) anzukommen. Das Wetter war warm und sonnig, uns bot sich ein großartiger Blick: im Süden die grüne Niedere Tatra und einige dunklere Wolken, im Norden die kargen Bergriesen der Hohen Tatra und der Liptauer Stausee (Liptovská Mara). Wir hatten geplant, zum Ďumbier (2043 m) zugehen, dann nach einem Halt an der Štefánika-Hütte (1740 m) in Richtung Trangoška abzusteigen und zu unserem Auto an der Talstation zurückzukehren.

Ein Gewitter zieht heran

Im Hotel hatten wir uns noch erkundigt, ob mit Gewitter zu rechnen sei. Erst am Abend, hieß es, na dann war ja alles bestens. Allerdings hatte sich der Abend an diesem Tag wohl in der Uhrzeit geirrt, denn schon kurz nach dem Mittag hörten wir aus Richtung Süden erstes Donnergrollen. Die dunkleren Wolken, die anfangs noch recht harmlos wirkten und an uns vorbeizuziehen schienen, wurden immer dunkler und kamen bedrohlich näher. Gewitter in den Bergen haben bekanntlich ihre eigenen Gesetze und so gerieten wir kurz vor dem Aufstieg zum Ďumbier mitten hinein, um uns herum blitzte und krachte es und es regnete heftig. Wir beschlossen, den Ďumbier auszulassen und lieber gleich zur Štefánika-Hütte zu gehen, abwärts.

Die Štefánika-Hütte

Mit zwei triefnassen Hunden aber ansonsten unversehrt kamen wir bei der Hütte an. Das Gewitter war fast schon wieder vorüber. Nach einer kleinen Stärkung führte uns der Abstieg auf einem nicht immer ganz leicht zu begehenden Wanderweg durch eine wilde, fast unberührte Natur hinab nach Trangoška, von wo aus es bis zu unserem Auto nicht mehr weit war. Alles in allem hat unsere erste Tour 5,5 Stunden gedauert. Man sollte die benötigte Zeit nicht unterschätzen, wenn man Hunde dabei hat, die ihre Fitness in erster Linie beim Büroschlaf trainieren. Das Wanderwegenetz ist in der Niederen Tatra übrigens sehr gut ausgeschildert und die Wege sind (noch?) nicht überlaufen, in manchen Gebieten kann man stundenlang wandern,ohne auf andere Wanderer zu treffen.

Deutsche Urlauber sind leider eine Seltenheit, möglicherweise gibt es bei uns einfach zu viele Vorurteile gegenüber „dem Osten“ – völlig zu Unrecht.

Poľana-Gebiet

Weitere sehr empfohlene Wanderrouten führen durch den „slowakischen Urwald“ – das Pol‘ana-Gebiet. Hier findet man in der Tat noch gänzlichunberührte Natur und wild lebende Bären. Derzeit sind es gut 50 an der Zahl. Es ist möglich, dass in dem dichten Pflanzenwerk wenige Meter neben dir für dich völlig unsichtbar ein Bär liegt. Sie lassen Wanderer aber in Ruhe, hat Marko gesagt. Wenn sie sich nichtgestört fühlen. Wir hatten uns für die Tour zum Berg Hrb (1255 m) entschieden, das Auto hatten wir in Starý Majer, einem auch noch sehr ursprünglichanmutenden Dorf, stehen lassen. Zur Hütte unterhalb des Hrb führen ein gut begehbarer Fußwanderweg und ein Radwanderweg. Nach der Hütte hat man die Wahl zwischen 4 oder 5 Routen, die Gehzeiten werden mit 30 min bis 5,5 Std. angegeben. Schon nach etwa 10 min Gehzeit erreichten wir von der Hütte aus die Grenze zum Naturschutzgebiet und standen unmittelbar danach mitten im Urwald. Wir kamen an Bäumen mit für europäische Verhältnisse gewaltigen Stammdurchmessern vorbei, kletterten über umgekippte Baumstämme, die im Laufe der Zeit von allen möglichen Pflanzenarten überwuchert wurden, und unwillkürlich lauschten wir auf jedes Geräusch, jede Bewegung, die auf Bären hindeuten könnten. Wer weiß schon, wodurch ein Bär sich gestört fühlt und wir hatten zwei Köter mit, die alles anbellten, was ihnen verdächtig vorkam. Aber die Bären waren offenbar satt, und so kehrten wir letzten Endes mit einem Hauch von Indiana Jones-Feeling zurück zu unserem Auto. Zugegeben, aus dem Urwald heraus sind wir doch etwas schneller gelaufen.

Lomnitzký Štít

Von unserem Hotel aus war es auch nicht allzu weit bis in die Hohe Tatra, ca. 90 km. Daher planten wir einen Tag Lomnitzký Štít (Lomnitz-Spitze2632 m) ein.
Damit sich die nicht ganz billige Seilbahnfahrt bis auf die Spitze lohnt, ist schönes Wetter unabdingbar. Also wählten wir den schönsten angekündigten Tag, einen Sonnabend, aus. Was wir leider nicht wussten ist, dass die Seilbahnfahrten vom Skalnaté Pleso aus, der Mittelstation, von vielen per Internet vorreserviert werden – und so standen wir bei strahlend blauem Himmel zu früher Morgenstunde am Ticketschalter, wo uns eine nette Slowakin erklärte, dass für heute alle Gondeln schon ausgebucht seien, schade. Es gab aber noch einen Sessellift hoch zum Sattel, von wo aus sich meinem Mann und meiner Tochter ein ebenfalls traumhafter Anblick bot. Auf diesem Sessellift dürfen Hunde tatsächlich nicht mitfahren, also blieb ich am See, ganz freiwillig, denn ich bin nicht wirklich höhentauglich. Vom Skalnaté Pleso aus gingen wir dann zum Hrebienok, auf der Magistrale entlang. Hier waren wir nicht die einzigen, und teilweise waren wir mehr damit beschäftigt, unsere Hunde vor anderen Wanderern aus dem Weg zu ziehen, als dass wir wanderten. Aber die geniale Aussicht hat uns dafür entschädigt. Vom Hrebienok nach Starý Smokovec nahmen wir die Standseilbahn, und mit der Tatra-Bahn fuhren wir zurück zum Ausgangspunkt nachTatranska Lomnicá. Obwohl die Hohe Tatra fraglos die beeindruckenderen Berge zu bieten hat, gefiel uns die Niedere Tatra als Wandergebiet doch besser.

Es gibt in der Niederen Tatra außerden zahlreichen, überaus vielfältigen Wandergebieten auch andere Ziele, die für Urlauber in jedem Fall lohnenswert sind. So verbrachten wir beispielsweise zwei Tage in der Stadt BanskáBystrica mit ihrem sehr schön rekonstruierten Stadtkern. Wir besuchten die bergbauhistorisch hochinteressanten Städte Banská Štiavnica und Kremnica, und wir nahmen an einer Führung durch die Tropfsteinhöhle Harmanecká Jaskyňa teil, wo die Natur über viele Jahrmillionen wunderschöne, teils bizarre Formen entstehen ließ. Und es hätte noch viel mehr gegeben, wohin wir wandern oder was wir uns anschauen wollten.

Wie immer war auch dieser Urlaub viel zu kurz für alle geplanten Unternehmungen. Die nächste Reise in die Niedere Tatra ist deshalb schon fest eingeplant – nächstes Jahr im Oktober,wenn der Herbst die dichten Bergwälder in Traumlandschaften aus unendlich vielen Farben verwandelt, werden wir wieder herkommen.

Diese wunderbare Herbstaufnahme wurde uns freundlicherweise von Marko Weiß zur Verfügung gestellt.

Wir möchten uns an dieser Stelle gernnoch bei jemandem bedanken, der ganz entscheidend mit dafür gesorgthat, dass wir unsere Wanderungen unbeschwert genießen konnten – es ist das Sporthaus Göpfert in Dresden, insbesondere Frau Flasche. Bei der Auswahl unserer Wanderausrüstung hat sie uns mit großer fachlicher Kompetenz beraten, ist mit uns im Geschäft ausgiebig „probegelaufen“ und hat für uns mit großer Geduld die exakt auf unsere Anforderungen abgestimmten Wanderschuhe und -jacken besorgt. Dank dieser perfekten Vorbereitung waren wir für jede Wandersituation bestens gerüstet.

Martina Ell