La Gomera ist die zweitkleinste Insel der Kanaren. Sie ist nur ein bisschen kleiner als Köln, hat aber wesentlich weniger Einwohner als die viertgrößte Stadt Deutschlands. Die Bevölkerung zählt nur rund 22 000 Einwohner. Eine Insel mit einer Großstadt zu vergleichen ist vielleicht nicht ganz passend, und darum hier noch ein anderer Vergleich. Die größte Insel Spaniens Mallorca ist fast 10 Mal größer als La Gomera, und bei der gleichen Bevölkerungdichte wie La Gomera sollte Mallorca 220 000 Einwohner haben, sie zählt heute aber ungefähr 4 Mal mehr Menschen. Die Tatsache, dass die Insel so dünn besiedelt ist, liess schon vor der Reise erahnen, dass das Wandern auf La Gomera ein besonderes Erlebnis wird. Aber schön der Reihe nach.

Anreise

Die Anreise nach la Gomera ist nicht so einfach wie z. B. nach Mallorca oder Gran Canaria. Direkte internationale Flüge gibt es nicht. La Gomera verfügt zwar über einen Flughafen, für internationale Flüge ist die Landebahn aber zu kurz, der Flughafen bedient hauptsächlich Inlandsflüge von/nach Teneriffa-Nord. Die übliche Anreise nach La Gomera beginnt mit einem zirka 5- stündigen Flug zum Flughafen Teneriffa-Süd. Danach folgt eine 20 Minuten dauernde Busfahrt zum Fährhafen nach Los Cristianos und die anschliessende Überfahrt mit der regelmässig verkehrenden Fähre. Nach einer Stunde voll von schönen Ausblicken nach La Gomera und Teneriffa mit dem imposanten Pico del Teide, ankert die Fähre in der gomerischen Hauptstadt San Sebastian de La Gomera. Der beste Ort für einen erholsamen Wanderurlaub auf La Gomera ist das Valle Gran Ray, welches sich auf der gegenüberliegenden Seite der Insel befindet. Das bedeutet wieder in den Bus zu steigen oder den gebuchten Mietwagen in Empfang zu nehmen und sich auf eine kurvenreiche Fahrt quer durch die Insel zu begeben. Man fährt über zahlreiche Serpentinen mit fantastischen Ausblicken in die tiefen Tälern, auf den Ozean, die mächtigen Felsformationen und durch einen zauberhaften, finsteren Wald mit vielen auffälligen Blumen am Wegesrand. Auf dem kurvenreichen Weg darf nicht schnell gefahren werden, und für die 49 km braucht man mehr als einer Stunde. Auf der Insel gibt es keine geraden Strassen und wer kurvenreiche Strassen nicht verträgt, für den habe ich einen sehr wirkungsvollen Tipp, welchen ich auf La Gomera bekommen habe. Man soll vorbeugend gegen die Reisekrankheit Ingwerstücken kauen. Nach meiner Erfahrung kann ich die wohltuende Wirkung des Ingwers auch bestätigen 🙂

Reise nach Valle Gran Rey

Valle Gran Rey

Valle Gran Rey ist wohl der bekannteste Urlaubsort von La Gomera. Aber jeder, welcher kilometerlange Strände und Reihen von Hotels erwartet, wäre sicher enttäuscht, denn Massen- und Badetourismus gibt es nicht auf La Gomera. Ein Spaziergang an der Küste vom Strand Playa de Inglés zum Hafen im Ortsteil Vuelta dauert nur eine Dreiviertelstunde. Die Strände sind sehr klein, geprägt von schwarzem Lavasand, die Wellen sind durch die Kraft des Atlantiks groß und die Strömungen gefährlich. Das Baden im Ozean ist nicht besonders zu empfehlen, weshalb die meisten Urlauber nur am Strand relaxen und barfuß am Strand spazieren gehen. Was macht den Ort dann so attraktiv? Erstens die Lage, einerseits umrahmt vom blauen Ozean, anderseits von imposanten Felswänden. Zweitens die freundliche und ruhige Atmosphäre. Man hat das Gefühl, die Zeit vergeht hier langsamer, der Rest der Welt mit allen ihren großen und kleinen Problemen gibt es gar nicht und jeder, der seinen eigenen Weg gehen will, darf hier seinen Traum leben. Da ist es nicht verwunderlich, dass in La Gomera noch heute Hippies leben und mit ihrer Straßenkunst oder Sonntags-Kunstmärkte zu der einmaligen Atmosphäre beitragen.

Valle Gran Rey

Gomeros

„Auf La Gomera musst du das Auto nicht schließen, hier wird nicht geklaut.“ Das war das Erste, was ich auf La Gomera erfahren habe, und dieses Vertrauen in andere Menschen habe ich dann jeden Tag gespürt. Die Gomeros haben es nie leicht gehabt. Eine Insel am Ende der Welt, wo es immer schwer war Arbeit zu finden. In der Vergangenheit haben viele Gomeros die Insel verlassen, emigrierten nach Venezuela oder Kuba, später in die Westeuropäische Staaten, auf das spanische Festland oder nach Teneriffa, wo es mit wachsendem Tourismus mehr Arbeitsmöglichkeiten gab. Die Gomeros, die hier blieben oder aus dem Ausland zurückkamen, entschieden sich mit dem Schicksal zu kämpfen und mit der Leichtigkeit des Seins das Beste daraus zu machen. Nach meiner Erfahrung haben vor allem Frauen das große Potenzial der Insel gesehen. Sie haben Restaurants und Cafeterias, auch in den kleinsten Orten hoch in den Bergen geöffnet, wo sie mit Liebe für die vorbeigehenden Wanderer die gomerischen Spezialitäten zubereiten. Und obwohl die Kommunikation nicht immer einfach war, da ausser ein paar Urlaubsorten nur wenige Einheimischen Deutsch oder English sprechen, habe ich mich dank der Herzlichkeit der Gomeros wie zu Hause gefühlt.

Wetter

Das Wetter ist für Wanderer immer ein wichtiges Thema. Februar und März zählen zu den beliebtesten Wandermonaten auf der Insel, das Wetter ist mild, mit der steigenden Meereshöhe ändert sich das Wetter aber sehr schnell. Während an der Küste die Menschen in Shorts, T-Shirts und Sandalen laufen, herrscht in den oberen Inselteilen Nebel, Wind und Temperaturen, welche oft mehr als 10 Grad niedriger sind als am Strand. Am ersten Tag dachte ich, den Koffer falsch gepackt zu haben, denn draußen war es um die 30 Grad.  Nach der ersten Wanderung habe ich aber schnell gemerkt, daß es sich gelohnt hat lange Hosen, Fliessjacken und Windjacke mitzuschleppen. Und so sind wir jeden Tag durch verschiedene 3 Jahreszeiten gewandert, an der Küste durch den Sommer, in oberen Tälern durch das Frühjahr, auf den Bergrücken durch den späten Herbst. Nur der Winter hat gefehlt, weil es auf La Gomera nur selten schneit.

Wolken ueber La Gomera

Wandern

Die Insel wird als ein Wanderparadies präsentiert, und ich kann ohne jeden Zweifel sagen, dass ist sie definitiv! Alle Teile der Insel sind mit Wanderwegen verbunden, die Wege sind sehr gut ausgebaut und ermöglichen den Wanderern die Insel in ihrer ganzen Schönheit zu entdecken. Das Netz der Wanderwege ist so groß, dass die Wanderer auf der ganzen Insel verstreut sind und man nur selten jemanden trifft. An einigen Tagen hatte ich sogar das Gefühl allein auf der Insel zu sein. Wenn wir anderen Wanderern begegnet sind, begrüßten sie uns mit dem spanischen Hola, aber auch Hallo, Hello und Bonjour wurde nicht selten vernommen. Dies zeigt, dass die kleine traumhafte Insel ein internationales Publikum an Aktivreisenden anzieht.

Die Touren auf La Gomera sind sehr abwechslungsreich und jedes Tal bietet ein anderes, einzigartiges Erlebnis. In einem Tal fühlt man sich wie in einem Paradiesgarten, wo auf kleinen Terassengärten Früchte wachsen, die wir von zu Hause nur aus den Ladenregalen kennen. In einem anderen Tal denkt man in Afrika zu sein und hinter dem ersten Felsen Tarzan und Jane zu treffen.  Im nächsten Tal, beim Blick auf eine fast senkrechte Felswand will man nicht glauben, dass da noch ein Wanderweg nach oben führt. Die Wanderungen auf den zerklüfteten Bergrücken bieten spektakuläre Ausblicke auf die Steilküste La Gomeras und die benachbarten Inseln Teneriffa, La Palma und El Hierro.  Zu den Wanderhöhepunkten La Gomeras zählt ohne Frage eine Tour durch den magischen Lorbeerwald, wo man sich wie in einem Märchen fühlt.

Nebelwald La Gomeras

La Gomera steht im Schatten der größeren Nachbarinsel Teneriffa, und wird wahrscheinlich immer in ihrem Schatten stehen. Es ist aber kein Nachteil, ganz im Gegenteil, ich sehe es als einen großen Vorteil. Denn so bleibt La Gomera authentisch und ursprünglich, die Bewohner La Gomeras bewahren ihre Menschlichkeit und Gastfreundschaft und die grandiose Landschaft der Insel bleibt hoffentlich ewig erhalten.